4. Mai 2015

Studieren im Osten: Naheliegender, als mancher denkt

Die Kampagne „Studieren in Fernost“ bietet Tipps und Infos rund ums Studium in den neuen Bundesländern. Inwiefern sie dadurch auch den westdeutschen Hochschulen hilft, könnt ihr im folgenden Beitrag lesen.

„Bildung ist wichtig, vor allem wenn es gilt, Vorurteile abzubauen. Wenn man schon ein Gefangener seines eigenen Geistes ist, kann man wenigstens dafür sorgen, daß die Zelle anständig möbliert ist.“
Peter Ustinov (1921-2004), englischer Schriftsteller und Schauspieler

Die Studentenzeit ist angeblich die schönste Zeit im Leben. Endlich weg von zu Hause, selbst bestimmen können, wann es Zeit fürs Bett ist und abends so lange wegbleiben, wie man möchte – endlich erwachsen sein. Doch der Weg zu diesem Leben ist kein Kinderspiel, denn ohne Studium kein Studentenleben. Aber was studieren? Und wo? Das Angebot an Studiengängen in Deutschland ist riesig, von A wie Accessoire Design bis Z wie Zupfinstrumente kann man hier nahezu alles studieren. Ein guter erster Ansatzpunkt sind hier die eigenen Interessen.

Du weißt schon, was du studieren willst? Herzlichen Glückwunsch! Du hast die erste Hürde erfolgreich genommen. Doch egal, ob zukünftiger Indiana Jones oder Sheldon Cooper, als nächstes steht die Auswahl der Uni oder Hochschule an. Bei immerhin 425 Hochschulen deutschlandweit gestaltet sich die Frage nach dem wo nicht weniger schwierig als die nach dem Studienfach. Nicht alle Studiengänge werden auch überall angeboten. Da kann es bei der Suche nach dem richtigen Studienort auf keinen Fall schaden, die Lupe mal gegen ein Fernglas einzutauschen.

Mein rechter, rechter Platz ist leer

Deutschland ist nicht nur das Land der Dichter und Denker, sondern auch ein Land der Studenten. 2.694.579 waren es laut Statistischem Bundesamt im letzten Wintersemester, Tendenz steigend. Wer einen Blick auf die geografische Verteilung der Studenten wirft, dem wird schnell auffallen, dass der Großteil in den alten Bundesländern studiert. Das liegt in erster Linie daran, dass es im Westen mehr Hochschulen gibt als im Osten. Hinzu kommt, dass sich viele Studenten an einer Hochschule in der Nähe ihres Heimatortes einschreiben. Die Mehrheit der Deutschen lebt in den alten Bundesländern, da ist es wenig verwunderlich, dass auch der größte Teil der Studenten von dort stammt.

Die westlichen Hochschulen sind so beliebt, dass vielerorts die Hörsäle vor Studenten nur so überquellen. Dabei können sich die Studenten auch noch glücklich schätzen, überhaupt einen Studienplatz bekommen zu haben. In den Hochschulen der neuen Bundesländer herrscht zumeist Beinfreiheit. Hier ist Platz für mehr Studenten. Platz, den keiner haben will? Oder wissen die meisten nur nicht davon?

„Wir machen Werbung, weil es notwendig ist, dass wir als ostdeutscher Studienstandort nicht übersehen werden“, erklärt Petra Heydrich vom Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft in Sachsen-Anhalt, und meint damit eine ganz besondere Initiative. Die länderübergreifende Hochschulmarketingkampagne will durch gezielte Information der Studieninteressierten die ostdeutschen Hörsäle wieder füllen. Vor allem mit Studienanfängern aus den alten Bundesländern. Denn 20 Jahre nach der Wende, während der die Geburtenzahlen im Osten stark gesunken waren, gab es nicht mehr genug Abiturienten für die hier ansässigen Hochschulen. Deshalb wurde 2008 die Hochschulmarketingkampagne von den Wissenschaftsministerien der fünf neuen Bundesländer ins Leben gerufen. Außerdem wird die Initiative vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Neben der niedrigen Zahl an Studieninteressierten aus dem Osten gab es noch einen anderen Grund für die Kampagne: Im Rahmen des Hochschulpaktes hatten sich die Hochschulen verpflichtet, bis 2020 mehr Studenten aufzunehmen, um den steigenden Studentenzahlen gerecht zu werden. Für die meisten von ihnen keine leichte Aufgabe, denn irgendwann ist auch der größte Hörsaal mal voll. Im Osten war das eher kein Problem. Im Gegenteil, mancherorts wurde sogar schon überlegt, Studiengänge abzuschaffen und ganze Fachbereiche zu schließen, weil die Studenten fehlten. „Wir haben aber die Studienplätze nicht abgebaut, weil wir gesagt haben, wir helfen den alten Bundesländern das Ziel des Hochschulpakts zu erfüllen, dass jeder einen Studienplatz zur Verfügung gestellt bekommt“, sagt Petra Heydrich, „wir erhalten unsere Kapazitäten aufrecht, damit auch jeder einen Studienplatz bekommt, der sich müht, und halt nicht in einen überfüllten Hörsaal oder warten muss.“

Jung und dynamisch statt alt und trocken

Da man beim Versuch „Länderübergreifende Hochschulmarketingkampagne“ auszusprechen des Öfteren über die eigene Zunge stolpert, ist die Kampagne auch unter einem anderen Namen bekannt: Studieren in Fernost.

„Würdest du im Osten studieren?“ „Polen? Nee. Wieso soll ich in Polen studieren?“ So oder ähnlich sollen die Antworten bei einer Umfrage unter Abiturienten in Düsseldorf im Jahr 2008 ausgefallen sein, wie Petra Heydrich erzählt. „Die Schüler haben das gar nicht im Kopf gehabt, dass Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen so dicht vor der Haustür sind. Für sie war eben der Osten so weit weg wie für andere Japan. Und deswegen 'Studieren in Fernost'“, erklärt sie die Entstehung des Slogans für die Hochschulmarketingkampagne. Als die zunächst für fünf Jahre angelegte Kampagne 2013 in Verlängerung ging, wurde auch der Name länger. Die ganz offizielle Bezeichnung lautet: „Mein Campus von Studieren in Fernost“. Ihr seht schon, in den Ministerien scheint man eine Schwäche für lange Namen zu haben.

Auf der Webseite von Studieren in Fernost bekommen alle Studieninteressierten Informationen rund ums Studium im Osten. Egal, ob es um die Auswahl der Hochschule, Freizeittipps oder das Finden von WG-Zimmern und Studentenjobs geht. Im Mai und September 2014 gab es zudem WhatsApp-Aktionen. Abiturienten konnten über den Messenger Fragen zum Studium stellen und bekamen von Studenten und Studienberatern Antworten. Die Aktionen erwiesen sich als voller Erfolg und sollen dieses Jahr wiederholt werden.

Im Rahmen der Kampagne bekamen die ostdeutschen Hochschulen neue Internetauftritte, denn wie Petra Heydrich sagt, brauche man „den Sprachgebrauch der Studieninteressierten, damit sie sich abgeholt fühlen“. Die Universitäten dürften sich im Internet nicht als wissenschaftliche Einrichtungen darstellen, deren Webseiten sich nur Professoren ansehen würden.

Als ich Petra Heydrich nach den Vorteilen eines Studiums im Osten frage, sagt sie: „Wir haben eine Top-Ausstattung, weil wir ja alle nach der Wende umgebaut wurden oder neu entstanden sind. Wir haben beim Studium geringe Nebenkosten. Wir haben eine hohe Lehrqualität und großartigen Service.“ Wenn ihr euch nicht sicher seid, ob das auch wirklich stimmt, solltet ihr am besten selbst mal einen Blick auf die Hochschulen im Osten werfen. Vielleicht entdeckt ihr dabei auch gleich euren Traum-Studiengang.

„Bei manchen Fachrichtungen ist es Gang und Gäbe, dass die Leute in überfüllten Hörsälen sitzen, die sind einfach so beliebt. Da ist es sowohl in den alten als auch den neuen Bundesländern überfüllt. Aber manche sind eben auch so, dass man überschaubar und gut studieren kann. Man muss eben auch mal ein bisschen weiter fahren“, meint Petra Heydrich. Damit hat sie sicherlich recht. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass man studieren sollte, woran man auch wirklich interessiert ist. Auch wenn das vielleicht bedeutet, dass die Uni nicht gleich um die Ecke von Hotel Mama liegt.

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